Rettungshunde-Arbeit fordert mentale Stärke
Interview mit IRO Beurteiler Engels Cortés
Hunde waren schon immer Teil seines Lebens. In jungen Jahren finanzierte er sich als Gassigeher sein Studium. Dabei brachte er den Vierbeinern gute Manieren und Gehorsamkeit bei, um die Spaziergänge harmonisch zu gestalten. Mittlerweile ist Engels Germán Cortés Trujillo seit mehr als 30 Jahren im Rettungshundewesen aktiv und bildet Hunde zu Lebensrettern aus. In unserem Interview erzählt er uns mehr über seine Erfahrungen.
Wie bist du zur Rettungshundearbeit gekommen?
Im November 1985 brach im Zentrum Kolumbiens der Vulkan Nevado del Ruiz aus. Es wurde eine gewaltige Schlamm- und Gerölllawine ausgelöst, die den Ort Armero unter sich begrub und etwa 25.000 Menschen tötete. Ich nahm als Freiwilliger an den Rettungsaktionen teil und sah dort zum ersten Mal Rettungshunde, die bei der Suche nach Verschütteten halfen. Beeindruckt von dem Gedanken, mit der Hilfe von Hunden Leben zu retten, fasste ich 1986 den Entschluss, Rettungshundeteams in Kolumbien auszubilden. Ich reiste um die Welt, sammelte Erfahrungen in der internationalen Katastrophenhilfe und tauschte mich mit führenden Rettungshunde Organisationen aus. Nach sieben Jahren intensiver Fortbildung und harter Arbeit erzielten wir erste lokale Einsatzerfolge. Seither habe ich fünf Einsatzhunde geführt und als Ausbilder Hunderte von Gruppen in Lateinamerika und Spanien trainiert.
Du bist seit über drei Jahrzehnten im Rettungshundewesen aktiv? Welche Momente waren die prägendsten für dich?
In all den Jahren durfte ich viele schöne Momente erleben, musste aber auch einige schwierige Situationen meistern. Besonders anspruchsvoll waren die Erdbeben in der kolumbianischen Stadt Armenia 1999, in Peru 2007 und in Haiti 2010. Das Ausmaß der Naturkatastrophen war verheerend und wir Einsatzkräfte sahen uns mit schwierigen Bedingungen konfrontiert.
In Lateinamerika herrscht vorwiegend tropisches Klima. Wie wirkt sich das auf die Arbeit der Rettungshundeteams aus?
Sucheinsätze in tropischen Wäldern oder Gegenden auf bis zu 5.000 Metern Seehöhe erfordern sowohl von den Rettungshundeführern als auch ihren Vierbeinern besondere Fähigkeiten. Die Belastung durch Hitze und Luftfeuchtigkeit ist groß. Die Einsatzteams müssen auf diese Anforderungen spezifisch vorbereitet werden. Mit dem Nationalen IRO Einsatztest, welcher Ende 2021 von der Internationalen Rettungshunde Organisation etabliert wurde, haben wir genau diese Möglichkeit. In regionalspezifischen Szenarien wird die Einsatzfähigkeit der Rettungshundeteams nach weltweit gültigen IRO Standards überprüft.
Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.
Welche Ratschläge gibst du als IRO Beurteiler den Hundeführern mit auf den Weg?
Im Training mit ihren Hunden geduldig und präzise zu sein. Es ist wichtig, die Ausbildungsstufen zu respektieren und die Zeit aufzubringen, gewünschtes Verhalten zu festigen. Hundeführer sollten niemals mit der Sucharbeit beginnen, wenn das Anzeigen der gefundenen Person von den Hunden nicht in der erforderlichen Qualität erbracht wird. Dies ist ein sehr häufiger Fehler, der den Sucherfolg bei Prüfungen und in Notfällen beeinträchtigt.
Außerdem gebe ich stets zu bedenken, dass wir Hundeführer und Rettungskräfte zugleich sind. Wir müssen nicht nur unsere Hunde lenken, sondern auch technisch, körperlich und geistig den Herausforderungen einer Suchaktion gewachsen sein. Ich lege daher großen Wert darauf, die Teilnehmer meiner Trainings darauf vorzubereiten, im Notfall eine wirksame Ressource zu sein, und nicht ein zusätzliches Problem.
Einsatzzertifizierten Hundeführern gebe ich den Ratschlag, sich immer weiter zu fordern und offen für neue Vorschläge zu bleiben. Denn wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.
Hilft dir deine Ausbildung als Psychologe besser mit den Belastungen eines Einsatzes umzugehen?
Ja, ganz bestimmt. Meine Erfahrungen helfen mir, fokussiert und ruhig zu bleiben. Immer wieder stelle ich fest, dass Hundeführer unter Druck Schwierigkeiten haben, ihre Leistung abzurufen. Ich habe das sowohl bei Prüfungen als auch bei Einsätzen beobachtet. Die Hunde hingegen, vorausgesetzt sie sind gut ausgebildet, erbringen selbst unter Stress ihre Leistung.
Gibt es Tricks oder Anleitungen, besser mit stressigen Situationen umzugehen?
Zusätzlich zu meinem Psychologie-Studium habe ich den Master Neuropsychologie absolviert. Die Fragestellung, wie das menschliche Gehirn unter Stress funktioniert und wie Menschen lernen können, unter Druck Leistung zu erbringen, hat mich schon immer interessiert. Ich habe mehrere wissenschaftliche Artikel sowie ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht. Für mich war es eine logische Konsequenz, die Prinzipien des neuroeffizienten Trainings auch in der Ausbildung von Rettungshundeführern anzuwenden. Tatsächlich konnten Hundeführer, die das Training erhielten, bei Rettungshundeprüfungen nachgewiesenermaßen besser abschneiden. Die Forschungsergebnisse wurden publiziert und zudem habe ich das Buch Perros de búsqueda y rescate: Aprendizajes de una experiencia exitosa veröffentlicht. In dem Werk wird erklärt, wie sich das neuroeffiziente Training in die Ausbildung von Rettungshundeteams integrieren lässt.